Aufgetakelter Schuh, 1984. Herrenlederschuh, Holz, Metallstäbe, Schuhpaste und Filzstift auf Baumwollunterhemd (betitelt, signiert und datiert „Thingummy, Thingumabob, Thingumajig. Budi St. 81–84“)
verschustertes Herz
JEMANDES HERZ wollte nicht länger aufgetakelt bleiben, liess das segel fallen und ging in die wüste (vielleicht um jesse selbst zu begraben). zurück blieb der herzschuh mit dem durchlöcherten hemde. ich kam zufällig vorbei, das kind meines denkens an der hand. es wies auf das schuhschiff und bat, damit spielen zu dürfen. ich willigte ein und ging fort, den zeigefinger nach geisterart in den wind haltend. barfuß, ohne gedächtnis drehte ich mich um mich selbst, bis der feuchte finger meine seele ans mäuschen der erinnerung verwies. ich war damals im besten mannesalter mit langen lebenslinien an den sohlen.
wie mäusel und ich uns unterhielten, ging eine sonne nach der anderen vorbei. bei tag glätten sie mit ihren händeken aus reinem gold die wilde salzach, nachts wenn das kraut in den schuhen der alten salzbürger gärt, ziehen sie sich in ihre feste burg zurück. auch ich schlief ein, die salzlandschaft in meinem kopf erlosch, einzig das bild vom verschusterten herz ging mir nicht aus dem sinn. wenig wundert es mich, so viele stehengelassene schuhe zu sehen. würde nur jedere, wo im herz sein heimatliches griechenland hat, dorthin sein segel setzen, maulbeeren zu ernten zu seidenstrümpfen, anzustücken ans ewige leben. gelingt es nicht gleich, zerreißt manchem dabei das brüstlein. in meiner schuhlade ist es derzeit schön still, seitdem der betakelte draussen steht; da hat die katze was zum kratzen.
erstveröfffentlicht in: Der Schuh in der Kunst, Katalog, Galerie im Traklhaus, Salzburg, 2006