Tagtraumarbeit
Brausepulver zu geistigem Lift
schon beim überfliegen meines vorletzten "buches thingummy", Droschl verlag 1994, begriff ich mich in anlehnung an herr Freud als tagtraumarbeiter leicht. mehr noch nach fertigstellung meines letzten buches “singummis à la minute”, selber verlag, 1997, einer sammlung fänofonogrammatischer versuche selbstaufhebender art mit der nebenansicht, spirtuelle levitationsereignisse bei anderen zu provozieren sowie brausepulver zu geistigem lift fertig mitzuliefern.
erklärungsversuch zu ,arbeit der aufhebung’ aus meinem lebenslauf in: Katalog Dominik Steiger / 60 Jahre / Tisch Traum A: zur Ausstellung in der Galerie Hohenlohe & Kalb, Buchdienst-Fesch-Tagtraumarbeiterpartei, 2000
mit Dieter Roth und dem Großen Tagtraumelefanten
Kron-Kommissar des Leben weiter leuchte Du dem Leben von und für verworstenes Herz, 1977. Tusche, Aquarell auf Papier, 29,7 x 20,5 cm
(…) Seine Blätter stehen in mannigfaltigen Versonnenheiten zueinander, jedes einzelne Kronzeuge, alle zusammen dem harschen Fratzen lustigerweise und dicke Narrenkronen aufsetzend mit viel Geschick. Kein Schuft an ihren lebensnahen Formen vorbei sich drückte ungeschmälert. Deutschland hat immer wieder der Dichter genossen heute ist wieder einer weilend (…)
Auszug aus einem Dieter Roth zum 51. Geburtstag gewidmeten Text von Dominik Steiger
Dominik Steiger zu Angefangenes Bild von Dieter Roth
Angefangenes Bild weitergedacht
wissensreste werden in den sack getan, alle stehn vom tisch auf. der kleine nimmt das neunzigjährige elfenbeinbäumchen mit, wir verlassen das zimmer. draussen unterm blauen bierzelt des ausgehenden jahrhunderts knien wir an der bilderpfütze, wir schlürfen jetzt. die kiste mit dem porzellan trägt der Große Tagtraumelefant. er hat das tor beim hinausgehn eingerissen, nun sind wir ohne ob und dach. viel feine mehlspeise breitet das tageslicht übers fleckenreiche gefild vor uns. wir reisen ohne wissen weiter, leicht berauscht. dem einen wachsen federn an den füssen, die zarte anne stülpt einen hut aus sich. im wechselspiel von händen und füssen erleben wir die einfachen liebes abenteuer, wenn anders knoten. den gesellschaftstigern ausweichend erreichen wir bald die villa d‘este. im schatten vor der mauer nimmt jedes ein paar äste als latten fürs provisorische bett. die kleinen singen wie immen, die alten mit brechenden gurgeln. es wird noch ein bisschen „elf feine ellenbogen“ getanzt bevor wir zur ruhe gehn.
da träumt mir:
Dieter Roth (1930-1998) Angefangenes Bild, 1977. Set-up Painting, Malerei, Collage, Assemblage auf Leinwand, 200 x 250 cm, Aargauer Kunsthaus Aargau
dieter cromagnon und diter camembert gingen baden.
in kurzen blauen hosen den strich entlang; in der brusttasche den schwarzen bakelitkamm der herren. eines schönen morgens - der himmel war wie immer blass partout - schlich ich nach norden an die sandburg vor unserer schlafheide. große disteln säumten den weg, mannshohe gänseblümchen in der zweiten reihe. irgend ein vögelchen meckert im weißdorn. scheu trete ich den letzten meter an. den fußball unterm arm will ich meine idole zum spiel auffordern. da erklingt die zarte pavane aus dem inneren sandgebäude. schmal der eingang, nahm ich meine arme dicht an den leib und glitt ins halbe innere. wie war mir als ich dieter cromagnon den älteren vor einem zimbel fand, die finger darüber gespreizt, eine maus schützend die auf dem zimbel musizierte. so genau erinnere ich mich, daß es mir wie ein messer durchs gedächtnis fährt, das blut tropft. an dieser stelle wuchs alsbald die lederbekleidete junge frau, die später meine geliebte werden sollte. ich hielt versunken inne, das blau meiner augen vermischte sich mit dem mausen grau zu einer vogelnestgeschichte, woraus ein silberstengel ragt, auf dem der sänger dityvogel en miniature. durch meine gitterförmig verschränkten finger gewahrte ich - ich wagte ja nicht nacktäugig mich umzusehen - diter camembert in yogastellung vor dem zimbelkasten. er schien ein wenig zu tunken, sein schläfchen mit schlummerschmalz zu überziehn. so und nicht anders konnte die märchenstube allmählich verglimmen.
psyche hält einen wundersamen vorrätig, der im lack der zauberkiste innen sprösselt, daß es einem manchmal die haube vom kopp heben möchte.
Text zu „Angefangenes Bild“ von Dieter Roth, publiziert in Muscheln und Blumen Literarische Texte zu Werken der Kunst, Amman Verlag & Co, Zürich 2003, S. 251/253