ZELL FESCH

von Letterspeck

Zell fesch

Das Herz ist auch Aquarellist, seine Ganshaut Pinselchen.
Wenn Johann Sebastian Strauß auf der Geige Butterzipfel spielt, tunkt sein Zopf in Honignäpf. Da bleiben Autos stehn, Johann Beuys schaut vom Friseur heraus ..
Es gibt eine Erklärung: Mit Malangst geboren, war das Herz zu Immermalen augewachsen. In Zitterzell am See segelt es in Zillen, von wannen Geigen und Orgeln es sicher in Hafen blasen.
Was es malt, das geht nicht mehr weg. Anders als die Vergißmichgleich, Pinselgesichter, o Quarelle, Eure alten Augen erleschen nicht.
Leicht hats das Malherz; einfach die Gleichung. Problem verhält sich zu Herz wie Aquarell zu Naturell. Wie das Naturell ein Problem fortquarrelliert, aquarelliert fort bien das Lehmherz in seinem Kasten.
Hier, Zell, sind solche Prob und Pröbchen zum fürdern Nutz und Nießbrauch deiner malerischen Köpf.

Kindheit
Ich bin der Sohn reiner Eltern. Sie hatten eine Bäckerei, wo sie reines Brot erzeugten. Vier Gesellen halfen dabei und eine weiße Amme vom Land.
Meine Mutter war aus Pommern, wo die Apfelbäume am Abend so lang aufbleiben, bevor sie mit dem Löwenzahn Äpfel und Blätter bis zum Morgen einrollen.
Großmutter, Mutter des Vaters mein, hatte eine eigene dickwandige Bächerei, in der es die besten Brezenstangen von Wien gab. Es stunden in einer Kammer Säckchen voll Mohn, da saß sie, wenn sie traurig an den Großvater dachte, der gern in den Schenken Karten spielte.
Als ich noch ein Däumling war, den man in einer Kerzenschachtel schlafen legte, sah ich zum ersten Mal die Christbaumlichter in der Stube. Eine grüne Flasche Wein stand vor dem Vater und er schrieb einen reinweißen Brief mit Tintenstift.
Meine drei Brüder waren von demselben Holz wie ich und schnarrzten ebenso kläglich in den Nächten als die Kriegsflieger über Wien kamen und die Menschen in Scharen und Galoschen in die Wälder flohen.
Auch meine Mutter floh mit uns dreien, denn Vater war in Rußland Soldat. Damals lernte ich Böhmen und Mähren kennen, welche ich nie mehr vergessen kann.
Bei einem Dorfschmied, einem Verwandten meiner Großmutter, genoß ich der Gerüche wenn Pferde Hufe aufgeschlagen bekamen. Unter einem Nußbaum an ein Karrenrad gelehnt saß ich schnupperhell.
Meine Mutter wusch viel weiße Wäsche und stand mit andern Frauen an den Stricken zwischen Bäumen. Da war die Jauchegrube, Hühner und Hähne und der Fluß. Am Abend gab es weißes Brot aus Mehl und Birkenrinde und für die älteren Knaben eine Fingerhut Birkenwein.
Der Dorfschmied selbst schenkte mir den ersten Fingerhut voll ein. Der war von einem Nagel gemacht, der aus dem Rad eines vorüberrollenden Wagens gefallen war.

Zart halte Pinsel

Bald Zweig im Wald, gern mit Besen, bald Pinsel.
Henken geblieben am Himbeerstrauck
grüne Wald kräftig schütter die Arme
Wachsen Mariensteinchen.

Durch die goldene Jugendtüre durchmaschiert
baue mit Gestaltmarie die Staffelei
beim Eierschalenhusli auf.
Mein Gärtner Regenwurm grabt um.

Im Wald schön gut ein Suppen steht.
Bülbül, du lieblick dünner Mann trink
billich einen Schluck.

Emile Auguste Fontainebleau
was Pinsel kitzeln, halte zart
Paris der lachenden Äpfel.

Speckfinger bist bald

Butterkecks bröseln
auf die Brust
auf die Letzt.
Rüste dich Knochengerippe

Amor arm bist bald.
Schneid noch ein Liebesbrief
mit der Mrke Säge.
Reißt ein Herz entwzei

Wasserpfütz am Abend
Kartoffelherzchen lacht
Kartoffelschnäbelchen
aus dem Graben

Brust und Rock
Brösel für die Meise
Waldvogelfutter auf d’Letzt
weich im Schnee

Drei Maler im Prater

rasch ein Hund
wenn der Stecken fliegt
Ponsel ins Maul

Am Lusthaus schnappt
sich pinseldicke Dirn
ein Maler

wudle Ente
Bürzel wacker
hui mal was

aus: Zell Fesch, Buchdienst Fesch, Wien / Seedorn Verlag, Zürich 1984, mit 12 Illustrationen nach Radierungen des Autors

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