Ausstellungen 2017
Dominik Steiger bei curated by_
image/reads/text
Sprache in der zeit genössischen Kunst / Language in Contemporary Art
Shirin Sabahi (*1984, lebt in in Berlin)
Dominik Steiger (1940–2014, Wien)
curated by_ Abaseh Mirvali
15. September–21. Oktober 2017 (bitte anrufen Tel. 5120915)
Vor dem Hintergrund der Prämisse, dass alle Kommunikationsformen Zeichensysteme verkörpern, erkunden wir das Werk zweier KünstlerInnen, deren Werk jeweils unterschiedlichen sprachlichen Belangen galt.
Das Werk des Wiener Künstlers Dominik Steiger ist für seine experimente literarischer Art, aber auch mit Bild, Form und Klang bekannt, mit denen er sich auf die Suche nach neuen Kommunikationssystemen machte. Die iranische Künstlerin Shirin Sabahi wiederum verwendet geläufige Zeichen, mit deren Definitionen sie durch eine Rekontextualisierung spielt, was bisweilen zu völlig neuen Bedeutungen führt.
Roland Barthes untersuchte in seinem Essay „Rhetorik des Bildes“ die Wirkung von Bildern auf den modernen Alltag und unsere Kommunikation. Für Barthes sind auch Bilder sprachliche Mitteilungen, weil sie dechiffrierbar sind. Dies ist natürlich der Grund, warum so viele Künstlerinnen und Künstler bei der Wahl der Zeichen, mit denen sie in ihren Bildern Bedeutung konstruieren, äußerst sorgsam vorgehen.
Dominik Steiger kommt ursprünglich von der Prosa und Lyrik. So wurde er ein rhetorischer Meister des Bildes noch bevor er überhaupt mit Bildmaterial zu arbeiten begann. Steiger war sich der Wirkung seiner Werke auf das Publikum immer stark bewusst. Als vielseitiger Künstler interessierte er sich sehr für das Spontane und Unbewusste. Seine Zeichnungen, Collagen, Bricolagen, bildhauerischen Assemblagen und Gemälde verstand er als erweiterte Sprachformen, die es ihm ermöglichten, bestimmte, sonst unverständliche Phänomene, zu artikulieren.
Steiger war auch ein Sammler. Zeitlebens häufte er Objekte an, von Postkarten und Fotos über Flaschen, Holzreste bis zu Stoffen, die er später zu Kunst verarbeitete. Alte Gegenstände waren seine kreative Quelle. Auch die Serien Rollbilder, Bois und Kulturcollagen gehen jeweils von vorgefundenen alten Objekten aus, die Steiger hier entweder als Material oder als Arbeitsgerät benutzte.
Shirin Sabahi arbeitet vorwiegend mit Film und Video. Ihr Werk umfasst jedoch auch verschiedene Nebenprodukte, die manchmal Ausgangspunkte, manchmal überhaupt Ersatz für ihre Filmplakate, Daumenkinos, Untertitel, Trailer, Standbilder, Requisiten oder Kostüme sind. Einzig der Film selbst bleibt davon ausgeschlossen. Da die Künstlerin sowohl als Ausgangsmaterial als auch als Endprodukt zumeist fotografische oder filmische Bilder benutzt, beginnt ihr Schaffensprozess nicht selten schriftlich oder in Reaktion auf das Lesen als produktivem Akt.
In vielen Projekten Sabahis stehen Fragen nach Repräsentation und Kommunikation im Mittelpunkt. So erzählt die Protagonistin der Filminstallation We Came Here to Swim eine Geschichte in Zeichensprache. Es ist eine Geschichte über nonverbale Kommunikation, die mit einem außersinnlichen Dialog endet.
Auch das Zweckentfremden und Recyceln sind Methoden, auf die Sabahi in ihrer Kunst immer wieder zurückgreift, wobei die dadurch bewirkte Rekontextualisierung letztendlich zu neuen Bedeutungen führt. Die Serie Window Session nimmt zum Beispiel ein vorgefundenes geometrisches Muster auf und deutet es um. Es erinnert an leere, instabile Gebäude in Erdbebengebieten oder während der großen Bombenkriege im 20. Jahrhundert. Um die Anzahl an Toten und Verletzten durch zersprungenes Glas zu verringern, sicherte man die Fenster mit Klebeband. Sabahis Arbeit spielt durch die Verwendung eines nicht mehr allgemein gebräuchlichen Musters indes auf die Verletzlichkeit wie auch auf die ideologische Vorbelastung des Ausstellungsraums an. Sowohl Sabahi als auch Steiger maximieren die Möglichkeiten ihrer Ausdrucksmittel durch die Thematisierung ihrer grenzen. Steigers kreative Vorstellungskraft machte die Herstellung unendlich vieler Formen möglich, die ihn letztlich zur Erfindung einer außergewöhnlichen, aber nichtsdestoweniger schlüssigen Privatsprache brachten. Ähnlich selbstreflexiv sind auch die Filme und anderen Werke Sabahis. Ihre schonungslos selbstkritische Kunst beleuchtet filmische und architektonische Sprachen und zeigt deren mögliche Berührungspunkte.
Abaseh Mirvali ist freie Kuratorin für Gegenwartskunst und Architektur, die in Berlin und Mexico City tätig ist.
TYPE, PLEASE
curated by_ Sabine Folie
mit Arbeiten von Irma Blank, Melanie Ender, Isabella Kohlhuber, Doris Piwonka, Salome Schmuki, Dominik Steiger und Andrea van der Straeten
15. September–21. Oktober 2017
Irma Blank (*1934)
Melanie Ender (*1984)
Isabella Kohlhuber (*1982)
Doris Piwonka (*1968)
Salome Schmuki (*1979)
Dominik Steiger (1940-2014)
Andrea van der Straeten (*1953)
Der Titel Type, please (2017) ist eine Arbeit von Salome Schmuki entlehnt: Buchstaben schreiben, tippen, sprechen. Sich vertippen, anhalten, zurück, bis zum Wortstamm, neu anfangen, sich annähern, dann überraschend: ein neues Wort, eine neue Bedeutung. Ein bekanntes Wort? Eine verschüttete, hermetische Etymologie oder ein Neologismus. Wortspiele.
Buchstaben erfinden und daraus Wörter generieren. Neue Zeichen, Buchstaben, Alphabete bilden neue Semantiken. Verschlüsselt, codiert, erst zu knacken. Wellenlinien, die wie Geschriebenes aussehen, aber sich jeder Lesbarkeit entziehen. Wörter aussprechen, Phoneme sekundieren Notationen von visualisiertem Text. Dem Gesprochenen in einer abenteuerlichen Dramaturgie der Buchstaben, Bewegungen folgen. Sprechakte – das performative Zusammenwirken von Geschriebenem, der Stimme und dem Körper – kartieren. Linien, Schleifen im Raum ziehen und skulptural formieren oder den Akt des Schreibens in die Geste des Zeichnens und Malens überführen. Modulationen des Sprechgesangs in die Syntax einer Bildform bringen. Stimmlos ohne Gehör sprechen, die Bedeutung der Zeichen den Gebärden und Gesten überlassen...
Diese Versuchsanordnungen gehen in der Präsentation von Type, please der Verbindung der prothetischen, vielleicht schon überholten, nostalgischen Liaison der Hand mit dem Schreibgerät oder der Tastatur nach und der Generierung von Linien, Buchstaben und Alphabeten, die abstrakt, bildhaft und assoziationsreich einen poetischen Überschuss erzeugen. Die Ausstellung folgt den verzweigten Windungen und Pfaden, den Abweichungen und Irrungen von Übertragungs- und Übersetzungsprozessen, die von (noch) nicht gängigen Zeichen ausgehen.
Irma Blank (*1934) beschäftigt sich seit den 1960-Jahren mit dem Schreiben als Vorgang und Tätigkeit, befreit von der Bedeutungsproduktion von Schriftzeichen durch den Einsatz von Variationen von Linien und Farben. Melanie Enders (*1984) Zugang zur Sprache verläuft über den Miteinbezug von Skulpturalem und Performativem. Sie untersucht Verbindungen zwischen Sprache, Text, Körper und Raum. Abstrakte Elemente der Sprechakte werden in Performances und Skulpturen konkret. Isabella Kohlhubers (*1982) Installationen, Bilder, Skulpturen und Animationen sind Erkundungen visueller und auditiver Formen von Sprache und Kommunikation. Fremdartige Typographien, Alphabete und Diagramme geben beredtes Zeugnis von der Materialität und Performanz der Sprache, ihrer synkretistische Multivalenz in Akten der Verschiebung und Montage. Doris Piwonkas (*1968) Bildfindungen, die sich ausschließlich im Medium der Malerei und dem Austesten ihrer Möglichkeiten bewegen, liegen mitunter skripturale und grafische Notationen zugrunde, die von anderen kompositorischen Elementen und Verfahren bewusst eklektisch überlagert werden. Salome Schmuki (*1979) untersucht die Struktur und Organisation von Sprache, ihre Kodierung sowie das Zusammenspiel der daran beteiligten Mechanismen der Wahrnehmung. Basierend auf den verschiedenen Aspekten des Lesevorgangs gestaltet sie typografische Designs. Der Dichter Dominik Steiger (1940-2014) entschied sich in den frühen 1970er-Jahren bildender Künstler zu werden. Seine Arbeiten bleiben auch in seiner künstlerischen Produktion dem schriftlichen Zeichen und dem Wortspiel verpflichtet. In vielen ihrer Werke kombiniert Andrea van der Straeten (*1953) ihr Interesse an Sprache und Literatur mit dem technischen Experiment und einem visuellen Vokabular. Sie thematisiert unter anderem die Übersetzungsschwierigkeiten von sprachlichen in gestische Ausdrucksformen.
Sabine Folie ist Kunsthistorikerin, freie Kuratorin, Autorin. Von 1998-2008 war sie Chefkuratorin der Kunsthalle Wien, von 2008-2014 Direktorin der Generali Foundation, Wien. Zahlreiche Ausstellungen, darunter Marcel Broodthaers. Politque Poetique (2003) und Un Coup de Dés. Bild gewordene Schrift. ABC einer nachdenklichen Sprache (2008).
Galerie Raum mit Licht, october 2017